Am Westufer des Gardasees gibt es Bauten, für die wir früher keine Erklärung hatten. Gemauerte Pfeiler, die zwischen Bäumen aufragten, manchmal gab auch keine Bäume, sondern nur die Pfeiler. Sie fielen uns zwar auf, wir wunderten uns ein bisschen und das wars dann auch schon.
Wenn mich Mattia bei unserem Besuch in Gagnano nicht darauf aufmerksam gemacht hätte, wäre mir das auf dem Foto abgebildete Gebäude nicht aufgefallen. Es ist eine Limonaia, ein Gewächshaus für Zitronen. Im Sommer werden Dach und Wände weggenommen, stehen bleiben nur die Pfeiler. Dann schauen diese Gewächshäuser ganz anders aus und geben der Gegend ihr ganz spezielles Gesicht.
Zitrusfrüchte stammen ursprünglich aus China und Indien. Im zweiten Jahrhundert waren sie im östlichen Mittelmeer bekannt. Dann gerieten sie wieder in Vergessenheit und erst um 1.000 brachten arabische Seefahrer unterschiedliche Sorten nach Italien.
Die lokale Geschichtsschreibung führt die Einführung der Zitrusfrüchte am Gardasee auf Franziskanermönche aus Gargnano zurück. Um Bäume und Früchte vor dem Frost zu schützen, wurden ab dem 17. Jahrhundert die ersten Zitronengewächshäuser gebaut. Sie bestanden aus Mauern, Pfeilern, Treppen, Eingängen und Balken, die von November bis März mit Bretterabdeckungen und Glasscheiben verkleidet wurden. Die meisten Zitronengärten wurden in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts angelegt.
Johann Wolfgang von Goethe beschrieb 1786 (Italienische Reise) die Landschaft bei Limone: „Der Morgen war herrlich, zwar wolkig, doch bei der Dämmerung still. Wir fuhren bei Limone vorbei, dessen Berggärten, terrassenweise angelegt und mit Zitronenbäumen bepflanzt, ein reiches und reinliches Ansehen geben. Der ganze Garten besteht aus Reihen von weißen viereckigen Pfeilern, die in einer gewissen Entfernung voneinander stehen und stufenweis den Berg hinaufrücken. Über diese Pfeiler sind starke Stangen gelegt, um im Winter die dazwischen gepflanzten Bäume zu decken. Das Betrachten und Beschauen dieser angenehmen Gegenstände ward durch eine langsame Fahrt begünstigt.“
Limone liegt nördlich von Gargnano und ist weltweit der nördlichste Punkt, an dem Zitrusfrüchte zu Handelszwecken angebaut wurden. Die Zitronen wurden zu Hunderttausenden exportiert, insbesondere nach Deutschland, Polen und Russland, was Arbeit und nicht unbedeutenden Profit sicherte.
Die Bedeutung des Zitronenanbaus nahm ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kontinuierlich ab. Nach der Vereinigung Italiens (1861) wurde die Konkurrenz der Zitronen aus den südlichen Regionen stärker. Die Entwicklung des Transports und schließlich die Entdeckung der synthetischen Zitronensäure taten ein Übriges dazu. Durch all diese Faktoren wurde der Zitronenanbau immer unrentabler. Im Ersten Weltkrieg wurden die Abdeckungen der so genannten Limonaie aus Staatsinteresse beschlagnahmt. Dies und der außergewöhnlich strenge Winter 1928-29 gaben dem Zitronenanbau den Rest.
Quellen: Zitrusfrüchte: Wikipedia / Goethes Italienische Reise: Wikipedia / Geschichte der Limonaie: Comune di Limone sul Garda